Bartgeier
Zoo und Tierpark Berlin engagieren sich zusammen mit der Vulture Conservation Foundation (VCF) für den Schutz und die Wiederansiedlung der Bartgeier in Europa.
Projektinfo
- Name des Projekts
Vulture Conservation Foundation (VCF)
- Tierart
Bartgeier (Gypaetus barbatus)
- Bedrohungsstatus laut IUCN
Potenziell gefährdet (NT)
- Einsatzorte
Nationalpark Hohe Tauern, Österreich / Nationalpark Sierras de Cazorla, Spanien
- Größte Bedrohung durch
Jagd durch Landwirte, Jäger und Trophäensammler
- Lösungsansatz
Wiederauswilderung von Tieren aus Zoos, Aufbau einer überlebensfähigen Population in Europa als Brücke zwischen anderen Populationen
Bedrohungsstatus laut IUCN
Bartgeier in Berlin
Der Tierpark Berlin hält die faszinierenden Bartgeier bereits seit 1956, im Zoo Berlin leben die Greifvögel seit 1973. Der Bart- oder Lämmergeier zählt mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,85 m zu den größten Greifvogelarten Europas. Die beeindruckenden Tiere leben vorwiegend in Gebirgsregionen oberhalb der Waldgrenze, ihre Horste legen sie in Felsnischen an. Bei der "Abfallbeseitigung" spielen die großen Vögel weltweit von den Pyrenäen bis zum Himalaya eine zentrale Rolle im Ökosystem. Beide Zoologischen Gärten beteiligen sich seit mehr als 30 Jahren an einem Projekt zur Wiederansiedlung und zum Schutz der Tiere in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet in Europa.
Die „Knochenbrecher“ aus den Bergen
Als eine der imposantesten Greifvogelarten Europas war der Bartgeier auch in den Alpen und Bergregionen Spaniens beheimatet. Von anderen Geierarten unterscheidet er sich im Wesentlichen im Aussehen, Verhalten und Nahrungserwerb. In den Alpen galten die „Knochenbrecher“ lange als Gefahr für Schafe und sogar Kinder – völlig zu Unrecht. Die friedlichen Bartgeier ernähren sich – im Gegensatz zu anderen aasfressenden Geiern – überwiegend von Knochen, die von ihren besonders aggressiven Magensäften problemlos verdaut werden können. Ist ein Knochen zu groß, um ihn mit dem Schnabel zu knacken, packt der intelligente Vogel seine Mahlzeit mit den Fängen und lässt sie aus luftiger Höhe auf Felsen oder Steine fallen, so dass sie in mundgerechte Stücke zerbricht.
Von Jägern, Sammlern und Bauern ausgerottet
Aus Angst um Lämmer, Gämsen und Kinder wurden die Bartgeier so lange vom Menschen gejagt, bis seine Art Anfang des 20. Jahrhunderts in den Alpen und Karpaten restlos ausgerottet war. Auch für Trophäensammler waren sie eine begehrte Beute. Nach dem letzten Abschuss im Jahr 1913 in den französisch-italienischen Westalpen gab es nur noch in Spanien kleine Populationen. Doch dort ereilte ihn wenig später ein ähnliches Schicksal: Mitte der 1940er-Jahre lebten in Andalusien noch zahlreiche Bartgeier. Im Jahr 1986 wurde durch menschliche Verfolgung dort auch der letzte Bartgeier ausgerottet. Alle Tiere, die scheinbar negative Auswirkungen auf die Jagd oder andere landwirtschaftliche Tätigkeiten hatten, wurden in Spanien als Schädling betrachtet und bekämpft, so auch die Geier.
Internationale Zusammenarbeit zur Wiederansiedlung von Bartgeiern
Inzwischen hat man erkannt, dass Bartgeier eine wichtige Funktion für das Ökosystem besitzen: Sie werden auch als die Hygienepolizei der Natur betrachtet. Auch wenn Bartgeier in ihrem weltweiten Gesamtbestand nicht bedroht sind, wird ihre Art in Europa als gefährdet gelistet. Um den Bartgeier wieder in seiner Heimat anzusiedeln, wurde 1978 ein international koordiniertes Projekt mit Finanzierung von WWF und der Frankfurter Zoologischen Gesellschaft ins Leben gerufen. Ziel des Artenschutzprojektes ist es, ausschließlich in Menschenhand gezüchtete und geschlüpfte Jungvögel wieder in den Alpen anzusiedeln. Später gründete sich aus diesem Projekt die Vulture Conservation Foundation (VCF).
Erste Auswilderungen in 1986
Bis 1986 dauerte der Aufbau eines Zuchtnetzes unter Beteiligung von rund 30 Tiergärten und der zentralen Bartgeier-Zuchtstation in Haringsee, Österreich. Es begann eine enge Kooperation zwischen Naturschutzorganisationen, Behörden, Universitäten, Nationalparks und Zoos. Auch Zoo und Tierpark Berlin sind seit 1987 mit dabei. Das gemeinsame Ziel ist es, wieder eine stabile Metapopulation in Europa aufzubauen. Dadurch wäre die europäische Population auf Kreta, Korsika und in den Pyrenäen nicht länger von den Populationen in Nordafrika und Asien isoliert. Im Rahmen des Europäischen Erhaltungsprogramms für die Bartgeier arbeiten heute fünf Zuchtzentren mit knapp 40 Zoologischen Gärten zusammen.
Bartgeier fliegen wieder über den Alpen und Andalusien
Als fliegende Artenschutz-Helden bereichern die Berliner Bartgeier nun die genetische Vielfalt des internationalen Projekts: Zoo und Tierpark Berlin haben bis 2020 mehr als 30 Bartgeier an das Auswilderungsprojekt übergegeben – ein Großteil der Vögel wurde direkt ausgewildert, einige von ihnen zogen in anderen Zuchtzentren. Von dort aus wird ihr Nachwuchs dann die Reise zurück in ihren natürlichen Lebensraum antreten. Bis 2020 wurden insgesamt 227 Junggeier in den Alpen erfolgreich ausgewildert, 61 davon im Nationalpark Hohe Tauern. 272 Jungvögel sind seit Beginn des Projekts 1986 bereits in der Wildbahn geschlüpft. Da das Projekt so erfolgreich verlief, wurde die Wiederansiedlung des Bartgeiers ab 2005 auch auf Spanien ausgeweitet. Seit 2006 wurden in Andalusien bereits 63 Bartgeier ausgewildert. Jeder einzelne Vogel wird genauestens beobachtet und diese Mühe zahlt sich aus: 2015 brütete erstmals seit Beginn der andalusischen Wiederansiedlungen ein wildes Bartgeier-Paar.